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1-17 facts/tatsachen / Cover

1-17 Facts/Tatsachen

Austrian Cultural Institut, London, 1997; 12 Seiten / 8 Seiten Bild- und Computermontagen sowie Texte von

Heinz Cibulka


zur Serie "1-17 facts/Tatsachen" || >

In diesem Zyklus wollte ich Arbeitsprinzipien, die für die meisten meiner Fotoblatter typisch sind, unterlaufen, bzw erweitern. Das auffälligste Merkmal meiner bekannteren Arbeiten, die vier Fotos zu einem Block montiert, durchgängig in ganzen Zyklen, wird hier durch 17 verschiedene Bildformen abgelöst. Die einzelnen Bildteile wurden als Inkjetprints oder Laserkopien von computergesteuerten Druckern oder Kopierern ausgedruckt Videostills, digital erfasste Fotografien, Computergrafiken mit Zahlen und Buchstaben wurden Bausteine für diese Bildkomplexe.

Mit diesen Bildzusammenstellungen wollte ich ähnliche und unterschiedliche Wirkungen diverser Bildverbände prüfen. Abgesehen von einem Bild als gültige Aussage, zeigt sich an weiteren 16 Variationen innerhalb eines stark geschlossenen Themas, wie sich einzelne Bilder als Vokabel in kleineren und größeren Bild-Sprach-Verbänden verhalten können. Der massive Einsatz gefundener Bilder aus einem Amateurvideo ist neu in meiner Arbeit, ebenso wie die gleichberechtigte Verwendung grafischer Elemente neben Fotografien und Videostills.
Die abgefangenen Bilder aus einem Amateurvideo sind bei einem Streifzug durch Kriegsgebiete in Bosnien im Jahr 1992 entstanden. Dieses Video wurde unter vielen Bosniern im Exil herumgereicht und oft unter Grauen betrachtet. Der Autor des Videos ist mir nicht bekannt. Seine Sicht auf die leidenden Menschen ist neben der amateurhaften Handschrift sachbezogen und nüchtern.
Die unheroische, tragische Seite dieses Krieges wird in diesen Bildern trotz oder vielleicht wegen der geringen technischen Qualität des Videos zu einem bestimmenden Motiv.
Diese Bilder lösten bei mir Betroffenheit aus, aber auch eine triebhafte Neugierde, mit diesem heiklen Werkzeug künstlerisch umzugehen. Die unklaren, aber höchst intensiven Qualitäten einzelner Bilder versuchte ich in eine Ebene zu übertragen, in welcher mir eine schöpferische Auseinandersetzung vorstellbar werden konnte.
Diese Arbeit steht in einem Spannungsfeld zwischen meiner Vorstellung von formaler Bestimmung der Präsentationsform und dem emotional aufreizenden Inhalt.

Die Qualität des Konkreten liegt im Geheimnis, im Schwebezustand von Bedeutungen

Empfundene Wirklichkeit kann über das Wahrnehmungssystem zu künstlerischen Äußerungen umgeleitet werden. Diese Wirklichkeit, ausschnittweise in fotografischen Zeichen und im Hirn speichern, am besten von verschiedenen Standpunkten aus. Viele Ausschnitte in möglichst unterschiedlichen Registrationsstellen des Denkapparates aufnehmen. Immer wieder die verschiedenen Anlaufstellen der Bilder durchgehen. Die mehrdimensionale Wirklichkeit, die Realität des papierenen Bildes Fotografie, das Bild davon im Kopf, das Bild davon, das sich vermutlich mein Nachbar, ein Vogel oder ein Ziegenbock machen kann, wie ich mir denke... alle denkbaren Anlaufstellen wirken mit, sind Aspekte der Wirklichkeit. Der bildhafte Nachklang läßt den ersten Eindruck unmittelbarer Empfindung wie ein unbelichtetes Fotopapier erscheinen, auf dem sich geisterhaft monumental... Bilder tummeln und als Zeichen eintragen.

Jedes Fotoblatt entsteht in der Hoffnung auf dichterische Intensität

Die fotografischen Bilder sind Zeichen, die in der Ebene ideografischer Botschaften dichterisch in Beziehung gesetzt werden. Die künstlerische Absicht ist in der Abfolge mehrerer Bilder, in der Zusammenstellung der Bilder zu suchen. Es gibt keine logische Reihe einer zwangsweise gültigen Leseart. Der poetische Sinn dieser Bilddichtungen liegt in der Leseleistung - zwischen den Bildern.

Das in ein Bildgedicht eingearbeitete Foto setzt sich von einem Bezug zu seiner Vorlage ab. Es hat jetzt, als eine neue Realität, als eine fotografische Wirklichkeit nur in Hinblick auf seinen Einsatz in einem Bildgedicht Sinn und Bedeutung. Die Gesetzmäßigkeit eines Bildes orientiert sich an der Konstante des kollektiven Meinungspegels. Von hier weg erfolgt Orientierung und Neuorientierung. Diese Ordnung und Vorstellungen von Ordnung gilt es, in Frage zu stellen, zu verrücken. Ich will offene Kompositionen anbieten, die sich in schöpferischer Leseleistung, in der Dechiffrierung erfüllen. Das Bilder-Angebot sucht seine formbildende Wirkung im Bilder- und Deutungsreichtum des Betrachters. Das einzelne Bild als Zeichen erweckt Gefühle und spricht verschiedene Ebenen des Wahrnehmungs-apparates an. Mehrere Bilder lösen in Bezug zueinander verstärkt assoziative Kombinationstätigkeit aus.


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