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Wolfgang Denk

Heinz Cibulkas Weltsicht

 

in: Heinz Cibulka – Frühe Aktionsrelikte, 2005



Heinz Cibulka kommt aus dem engsten Kreis des Wiener Aktionismus. Von dessen philosophischen und künstlerischen Vorstellungen angezogen, bestand seit 1965 ein, wie Cibulka selbst sagt, Schüler-Lehrer-Verhältnis zu Hermann Nitsch. Er nahm an zahlreichen Aktionen von Nitsch und Schwarzkogler teil. Nitsch, mit seiner Interpretation der "Geschichte - Gegenwart - Kunst -Konstellation" und der daraus resultierenden radikalen Erfassung sinnlicher Qualitäten, der Einbeziehung religiöser und mythohistorischer Gedanken- und Verhaltensformen und des Lebens als direktes Arbeitsmaterial wurde für ihn damals ein wichtiges Vorbild künstlerischer Existenzbewältigung.

Materialbilder und Bildgedichte Cibulkas und in den letzen Jahren, die monumental-komplexen Bildmetamorphosen haben nach einem langen, höchst individuellen Entwicklungsprozess noch verwandte Züge mit dem Vokabular des Wiener Aktionismus, eröffnen aber viel weitreichendere Zusammenhänge. Heinz Cibulka verlässt den engeren Rahmen des extrovertierten, politisch radikalen Aktionismus, wie auch Hermann Nitsch der sich der Mythosgeschichte zuwendet, und begibt sich auf eine Entdeckungsreise in die Welt der einfachen, grundlegenden Dinge. Das waren für ihn die Naturprozesse "vor der Haustüre" sozusagen, das Wachstum und die Bedeutung der Pflanzenwelt und die Vielschichtigkeit und das Archaische der ländlichen Lebensformen. Er begab sich metaphysisch und praktisch in die Natur, wobei ihn der Eingriff der Kultur, also des Menschen besonders interessierte. Ein dem archaisch "weiblichen" Kosmos eher zugeordneter Zugang, im Gegensatz zur "heldenepischen" Inklination der großen Mythen. Heinz Cibulka versuchte den Ausgleich von künstlerischer Intuition und Phantasie und meta-wissenschaftlicher Beobachtung als eine individuelle Balance "wahrer" Erkenntnisse, wohI einkalkulierend den Vorteil des künstlerischen Forscherdranges. Seine frühen experimentellen Pflanzungen könnten fast in die Nähe des wichtigsten "Pflanzen-Natur-Forschers" der zeitgenössischen Kunstszene, Lois Weinberger, gerückt werden. Daniel Spörri, Herman de Vries (unter der Birke 1989), Mario Merz und Anselm Kiefer arbeiteten und schärften ihre Wahrnehmung in diese Richtung, vor allem untersuchte auch Joseph Beuys Naturprozesse als Basis-(Meta-) Wissenschaft seines "Neo-Schamanismus".

Kunst ist in der Lage, innerhalb eines dynamischen Prozesses innezuhalten, so Heinz Cibulkas Arbeitshypothese und so einen bestimmten Schnittpunkt der Realität sichtbar zu machen und ihn hervorzuheben. Dieser Zugang schickte ihn auf eine "reformatorische" Reise in die Photographie, die ihm größten Respekt und Anerkennung einbrachte. Was ihn nach wie vor mit Hermann Nitsch und sogar mit so scheinbar weit außerhalb stehenden Charakteren wie Susanne Wenger verbindet, ist die Annahme einer mythisch -mystischen Verbundenheit aller Phänomene des Lebens.

Heinz Cibulkas Bildkombinationen sind dynamische Kraftfelder einer individuellen Kosmologie. Kosmologie wird gemeinhin als Lehre vom Weltall und dessen Zusammensetzungen aufgefasst, war aber ursprünglich ein mythologischer Begriff, mit welchem Naturphänomene als Zeichen der Götter erklärt wurden. Die Interpretation der Zeichen-Systeme, die Entschlüsselung der Botschaften wird somit zum entscheidenden Prozess. Der Künstler findet bzw. erfindet "sein" individuelles Zeichensystem. Im Falle Heinz Cibulkas ist eine tiefempfundene Bildsprache seine Form, der Lebenswelt Geheimnisse aufzureißen, ohne dass diese durch Preisgabe zerstört würden. Er selbst spricht vom Entwurf einer poetischen Philosophie mit fotografischen Mitteln. Spannungsfelder bauen sich im Bereich gewöhnlichen, lebensnahen ländlichen oder in den exotischen "Parallelwelten" auf und entladen sich in komplexen Zeichensystemen und überschneidungen sichtbar gewordener Lebensumstände. Dabei werden Energien formal gebannt, die aus den unendlichen Quellen des Zufalls, der Ursprünglichkeit und des Vulgären zu stammen scheinen. Sinnliche Wahrnehmung mutiert in einem All- Gefühl, welches auf der Suche nach einem repräsentativen Bild von der Welt zu einer poetisch-dichterischen Komprimierung des Bildmaterials führt. Das Ergebnis sind hochsensible bildsprachliche Bezugssysteme. In asketischer Verknappung oder neuerdings in komplexen Bildepen wird ein analytisch zerlegtes Weltbild in ein neues Ganzes gefügt. Vorteilhaft ist dabei Heinz Cibulkas bewusst antimonumentale Grundhaltung, die selbst in den großangelegten Werken sensible Details sichtbar macht und in neue Zusammenhänge stellt bzw. sogar signifikante Verschlüsselungen als Kommunikationsprozesse vorschlägt. Heinz Cibulkas Zurückhaltung im Monumental-zeichensprachlichen erzeugt eine geradezu greifbare Intensität seiner Bildgedichte.


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