Heinz Cibulka
Erinnerung an Rudolf Schwarzkogler
Text für diverse Publikationen, 2002
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1957
lernte ich als 14-jähriger Rudolf Schwarzkogler kennen. 4 Jahre
lang waren wir bis 1961 gemeinsam Schüler einer Grafik-Klasse
der Graphischen Lehr und Versuchsanstalt in Wien. Er
war zwar nur 3 Jahre älter als ich, aber durch seine Frühreife
und mein noch sehr jugendliches Alter wurde er mir aber bald zu einem
meiner Vorbild meiner Entwicklungsphase.
Schwarzkogler
stimulierte und bestätigte mich in dieser Zeit am meisten in
meinen Vorstellungen von einem Leben als Künstler. Nach der
Graphischen traf ich Schwarzkogler erst wieder 1964, wobei er
mich zu einer Mühl-Gruppenaktion (bei der auch Schwarzkogler
mittat). Bei dieser ersten Aktion, die ich miterlebte, lernte ich
neben Mühl und Brus auch Nitsch kennen. Die Aktion und vor allem
das Verhalten der treibenden Künstler beeindruckte mich sehr.
Bald danach, Anfang 1975 lud mich Schwarzkogler ein, bei seiner ersten
Aktion mitzumachen. Es war die „Hochzeit-Aktion“, in
welcher ich eine mir seltsam erscheinende Rolle zu erfüllen
hatte. Meine Neugierde an den Arbeiten Schwarzkoglers und die Nähe
der interessanten Künstler zog mich an, weitere künstlerische
Taten zu mitzuerleben, um daraus zu lernen.
Später realisierte Schwarzkogler weitere Aktionen, die auch in sehr kleinem
Kreis, aber vorwiegend für die Kamera konzipiert und
durchgeführt erschienen. Unmittelbar nach der ersten Aktion von
Schwarzkogler lud mich auch Nitsch ein, bei seinen Aktionen als
Modell, bzw. passiver Akteur mitzumachen.
Bei Schwarzkoglers erster Aktion
setzt er 3 Fotografen ein, ob aus einer Ahnung, wie sehr für ihn
die Fotografie bedeutend werden wird oder aus dem Zwang, Jahre nach
den ersten Aktionen seiner Kollegen mit der Bewerbung einer eigenen
Aktion Terrain aufholen zu müssen, kann als Frage offen bleiben.
Jener Druck, der sich aus dem Zwang
ergeben hatte, sich künstlerisch als Aktionist behaupten zu
wollen, ist Schwarzkogler bis zum Schluß geblieben.
Seine hohen Ansprüche an die
Kunst und an sich selber, im „Nervenfieber“ (Titel einer
nicht veröffentlichten Publikation) seines Lebens, in diesem
seinem Kosmos haben Spuren in Form seiner Werke hinterlassen.
Nitsch und parallel dazu Muehl
stellten unterschiedliche Ansprüche an das Medium
Fotografie. Grundsätzlich halten sie daran fest, daß das
unmittelbare Ereignis, die Aktion der Mittelpunkt ihres
künstlerischen Vorhabens ist. Nitsch akzeptiert
ausschließlich, seinem Werk nützliche Aspekte
der Fotografie und setzt sie vorwiegend zur Bewerbung seiner
Theateridee ein, später auch zur Illustration seiner
Ausstellungen.
Bei den frühen Aktionen Rudolf
Schwarzkoglers sind auf den ersten Blick Ähnlichkeiten zu
den fast zeitgleich abgehaltenen Aktionen Nitsch´s zu vermuten.
Häufig derselbe männliche Körper im Einsatz beider
Künstler, ein betont einfach wirkender Kameraeinsatz (oft sind
es auch die selben Fotografen/innen) und die sparsam eingesetzten
Mittel im Blickfeld der Bilder.
Bei Nitsch liegt das Interesse neben den Bildern zwischen diesen, im
fortschreitenden Fluß der performativen Handlung.
Schwarzkogler macht die Phase im Bild zum Höhepunkt seines
aktionistischen Einfalles und hält diesen als Endprodukt fest.
Eine Reihe solcher Bildeinfälle repräsentieren den Komplex
einer Aktion. Zwischen den Szenenbildern werden diese vorbereitet.
Die jeweilige Aktion fasst eine Reihe solcher Bildinszenierungen
zusammen.
Die anfänglichen Absichten der Künstler Nitsch, Mühl und
Brus, mit ihren Aktionen die Bildfläche zu sprengen, die
gefrorene Ordnung in Bildern aufzubrechen, zeigen sich z.T. in frühen
Dokumentationen ihrer Arbeiten. Hier ist das Dewastieren, der
Ordnungsbruch auch in den fotografischen Dokumentationen zu sehen.
Neben dem Sprengen des begrenzten Raumes im Tafelbild war auch eine
Interaktion mit dem Leben gesucht. Nitsch: “Der gemeinsame
Nenner von uns allen war - wir wollten mit der Wirklichkeit
arbeiten“.
Die dabei zum Nachweis ihrer Aktionen
und zur darauffolgenden Bewerbung entstandenen Fotoserien zeigten
bald typische Ordnungsmuster, die Schwarzkogler deutlich
mitbestimmte. Das als Szene fotografierte Bild, im Kader einer Folge
von hintereinander entstandenen Fotografien war auffällig
gestaltet. Die als Bild gedachte Szene wurde oft mittels Zeichnungen
vorgeplant. Die, das Bild sprengende Aktion wurde bei Schwarzkogler
oft übersprungen und mündete, als Bildinszenierung in einer
Fotografie. Im Bildausschnitt wurde eine aktionistische, performative
Idee in die Ebene fotografischer Formmuster transponiert. In dieser
Ebene ist es uns möglich, Schwarzkoglers Aktionskonzepte zu
rezipieren. Das Bild wird bei ihm zur Bühne seiner aktionisten
Einfälle. Hier gelten aber auch wieder, neben den inhaltlichen
Intentionen, allgemeine Gesetzte der Bildgestaltung in
zweidimensionaler Ebene. Heute zählen die bekannt gewordenen
Fotografien Schwarzkoglers zum festen Bestandteil der visuellen
Grammatik aktionistischer Aussagen.
Alle künstlerischen Äußerungen
Schwarzkoglers sind von einem ausgeprägten Willlen zur Form
getragen, als eine Art und Weise, das Leben zu meistern, im Leben
würdig zu SEIN, in der möglichst höchsten Form als
Mensch zu existieren. Dieser Wille zur Macht über das Leben
prägt Schwarzkoglers kurzes intensives Leben. Seine Kunst
vermittelt uns äußere Zeichen seiner Versuche, sich in
diesen Kosmos einzuschreiben.
Schwarzkogler:
"Dem zivilisatorischen Begriffslabyrinth stellt der Künstler
seine idiotisch einfachen Konstruktionen gegenüber. Kunst
als Erlebnisschulung und Destruktion (aller) etablierten
Vorstellungen."
Schwarzkogler zeigte schon während
der Schulzeit an der Graphischen eine auffällige Ungeduld mit
amorphen oder in einem gewissen Sinn gemeinem Leben. Er bezog sich
gerne auf Vorbilder aus der Kunstgeschichte und strebte eine Existenz
von dieser Einstellung her an, was auch mich als jüngeren
Mitschüler in meiner existenziellen Perspektive bestätigte.
Nitsch:“
Das apollinische Prinzip war für Schwarzkogler Leitlinie. In
den frühen Sechziger Jahren formulierte er dies mir gegenüber
oft. Vorstellungen von bläulich smaragdenem kaltem Licht,
verbunden mit der Grausamkeit einer blendenden metallenen Helle waren
Ausdruck der apollinischen Zielsetzung und charakterisierten das für
ihn noch brauchbare Symbol des Gottes Apollon. Der Lichtgott galt für
ihn als das Prinzip strenger Lebensbewältigung und heiterer
Bändigung alles Triebhaften. Der Lebensprozeß sollte zur
Kunst, zur Form werden und sich in den Bahnen der Form abspielen.
Leben, Natur sollte sich zur Kunst als höchster Ausdruck der
Natur steigern. Schwarzkogler äußerte oft, er wolle die
Natur verändern und in sie schöpferisch eingreifen. Er
wollte die Vegetation, vor allem Bäume und Wälder blau
färben. Die Farbe blau zog ihn an, sie war seine Lieblingsfarbe.
Er sah in ihr die Verfeinerung und Verwandlung des Triebhaften, zur
apollinischen Lebensweise verkörpert. ...“
Sein tatsächlicher Eintritt in
die aktionistische Schaffensphase mit der 1. Aktion, „Hochzeit“
zeigte einerseits noch malerische Aspekte seiner voraktionistischen
Einstellung, wie z.B. ein bestimmtes Blau neben einem Rosa und weiß,
nicht allein als Farbe des Hintergrundes, was in seinen Bildern
vorher schon zu sehen war. Weiß, als Farbe mit ähnlicher
Funktion wie in der Malerei häufig die weiße, alles
Störende zurückdrängende Grundierung hat. Weiß,
um Platz für kommende malerische oder theatralische Visionen zu
machen. Zugleich waren bei dieser ersten Aktion Elemente aus dem
Repertoire seiner Kollegen zu sehen, wie z.B. Fische (Nitsch
verwendete welche bei einer Aktion kurz davor). Durch Schwarzkogler
dazugekommene bildnerische Bausteine, die Schwarzkoglers folgende
Aktionen auszeichneten, wie z.B. chirurgische Instrumente,
Klistierspritze, Drähte, Injektionsnadeln, eine weiße
Kugel,... waren aber auch schon z.B. bei seinem Kollegen Brus
eingesetzt.
Diese Aktion war mehr oder weniger
die einzige vor Publikum aufgeführte, auch hier waren nur einige
Freunde und Künstler anwesend. Später arbeitete er nur mehr
vor Fotografen und Freunden.
Die meisten Aktionen fanden in einem
weiß ausgemalten Raum statt, Schwarzkogler baute Szenen, die
dann phasenweise fotografiert wurden. Ein nackter, bandagierter,
oft weiß geschminkter oder mit weißen Kreidestrichen
versehener männlicher Körper wurde vor einem Tisch oder am
Boden postiert. Bei fast allen Aktionen Schwarkoglers war ich
mit meinem Körper als „Modell“ im Einsatz. Nur in
der letzten Aktion (abgesehen von den Gemeinschaftsaktionen mit
seinen Aktionistenkollegen) arbeitete Schwarzkogler mit seinem
eigenen Körper allein.
12 Jahre nach dem ersten Einsatz
meines Körpers bei Aktionen von Schwarkogler und Nitsch und 5
Jahre nach der Ausstellung meiner eigenen ersten (fotografischen)
Arbeiten wurde ein Buch mit Texten von mir (als Reflexion meiner
Situation innerhalb der aktionistischen Szene) und Nitsch bei Studio
Morra/ Neapel herausgegeben, das einige Aspekte der frühen
Aktionen Nitsch´s und Schwarzkoglers beleuchtet. In diesem
Buch sind auch zum ersten mal die Fotografien zu den Aktionen ohne
Ausschnitt gezeigt worden. So lassen sich etwas besser szenische
Hintergründe und Bildstrategien ablesen. Dieses Buch ist heute
leider praktisch vergriffen.
(Mein Körper bei
Aktionen von Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler,
Editioni Morra/ Napoli, 1977) Als
Beispiel ein Zitat daraus:“
Der
Körper, der die Kunst im Sinn hat
Berührungen, die als einziges Resultat Kunst haben.
Das Gefühl der warmen Flüssigkeit am Körper, von kalten
Flüssigkeiten bespritzt,
zuckt und zittert und ist Kunst.
Der reine einfache Körper unter fallenden Eingeweiden,
der Kunst im Sinn hat.
Der nackte Körper, der vor einem Tisch steht,
und nur zum Zweck der Kunst
das Geschlechtsteil auf dem Tisch hat und verharrt.
Alle exhibitionistischen, masochistischen, homoerotischen ... Gefühle
machen den Körper aus
und sind nichts Außerordentliches.
Die Heilkraft liegt nicht in der Befreiung von Zwängen,
der Auflösung von Hemmungen oder dem Vernichten von Agressionen
sondern in der seherischen Dichte
des gesamten amorphen Komplexes Körper.
Mit all seiner Macht er selber sein
mit allen seinen Kräften
sich nahtlos im All spüren
alleinsichtig
sein
Heinz
Cibulka, Frühjahr 1975
Seit der Schulzeit hatte ich immer
wieder mit Schwarzkogler getroffen, was auch zu der Zusammenarbeit
mit ihm und Nitsch führte. Schwarzkogler war oft bei mir zu
Hause, in Wien, wo auch einige Aktionen Schwarzkoglers und Nitsch´s
durchgeführt wurden, die u.a. von meiner ersten Frau (jetzt
Franziska Krammel) fotografiert wurden. Später wohnte ich im
Weinviertel, nördlich von Wien, hierher kam Schwarzkogler auch
gerne zu Besuch. Schwarzkogler nahm, wie auch Nitsch, immer sehr
freundschaftlich an meinem Leben teil. Ebenso litten wir alle während
Schwarzkoglers letzter Phase seiner Krankheit mit.
Wir feierten aber vorrangig unsere Existenz und lebten in unserer Kunst.
So ist es immer noch, nur daß Schwarzkogler nicht mehr lebt.
Vieles Schöne verdanke ich aus diesem Blickwinkel Schwarzkogler
und meinen Freunden Nitsch und Brus. Fotografische Bilder von den
Aktionen meiner Freunde hängen in wichtigen Museen als Ikonen
unserer Zeit. Mein abgebildeter Körper auf den Bildern hat
Anteil an der visuellen Grammatik dieser Fotografien. So kann ich
Geschichte in meiner Magengrube spüren, während mir
Heilsphantasien Schwarzkoglers im Kopf umgehen.
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