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Wolfgang Tunner

Die Materialbilder des Heinz Cibulka

 

in: Heinz Cibulka – Frühe Aktionsrelikte, 2005

in: Bild-Material, 1993



Ob es sich um Fotografie zur Wiedergabe real fassbarer Ereignisse oder zur Darstellung von Interpretationen handelt, stets hat sie in ihrer visuell-sinnlichen Wirkung etwas Unsinnliches. Was auch immer sie zu verwirklichen sucht, sie kommt vom Papierkulisseneffekt nicht weg. Ihr Los ist es, Abbild zu sein. Dem Foto fehlt die materielle Substanz der echten Bilder. Fotografie ist Illusion, nicht die greifbare und riechbare Form vom Stoff der Dinge. Sie besitzt nicht die Spur der Hand, das Terpentin der Farbe, den Graphit des Bleistiftes und die feine Haut der echten Drucke.

Auch die Bilder der Phantasie und des Traumes sind von ihr ganz verschieden. Wie sehr man auch versucht, die Distanz zum Foto durch intensives Sehen ganz zu überwinden, es kommt nicht in vollem Sinne ganz hinein. Bilder der Phantasie und des Traumes jedoch sind von den Eingeweiden drinnen nicht zu trennen. Der Körper formt sie selbst - wie abstrakt sie auch sein mögen. Das Foto hingegen macht der Apparat, und es hängt da draußen an der Wand.

Heinz Cibulka hat an diesem substantiellen Ungenügen der Fotografie Zeit seines bisherigen Künstlerlebens gelitten. Ein Mensch mit einem so hoch entwickelten Fühlauge kann am Foto allein sein Auskommen nicht finden. Daher blieb er der Poesie realer Dinge treu: Er arbeitete im Gartenbeet, huldigte dem Gärtner, grub das Stammersdorfer Brunnenloch und gab in seinen Bilderkästen für jedes Auge greifbare Natur. Sein Blick holt sich das Gewöhnliche, und er spielt mit dem Zufälligen: Kirschkerne, Teig, Heu, Blätter, Fett, Stallmist und Samenkorn. Er heftet sie auf Bildflächen in ein Herbarium.

In der Kunstgeschichte gehören solche Materialbilder bekanntlich zur Objektkunst. Mit Anspielung auf Duchamp, Man Ray und die Popkunst sind sie jedoch nicht von der Industrie, sondern von der Natur vorgefertigt. Es geht nicht um Ironie, Witz und Gag und nicht um das Spiel absurder Wendung.

Cibulka hat die Gabe des direkten Blicks. Dadurch kann er die Dinge verklären. Und das ist - so glaube ich - das Geheimnis seiner Kunst.

Er liebt die Dinge und lässt sie, wenn er sie uns zeigt, wie sie sind.

 

Auszug aus dem Text anläßlich der Ausstellung im Niederösterreichischen Landesmuseum/Wien und des begleitenden Kataloges "Bild-Material" im Juli 1993


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