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Heinz Cibulka

Aktionen

Auszüge aus dem Artikel "Beschreibung meiner Situation und der realisierten Arbeiten", in: Bild Material; 1993



Heinz Cibulka bei der Performance metabolismo in der Galerie Morra, Neapel

metabolismo, Neapel, 1976


1976 wurde ich von der Galerie Morra nach Neapel zu einer Ausstellung meiner Fotoarbeiten "Stoffwechsel" und gleichzeitig zu einer Performance, die unter dem gleichen Titel ("metabolismo") aufgeführt wurde.
Dabei demonstrierte ich auf Tischen einen sinnlich begreifbaren Weg zu diesem Titel:
Ein Haufen Erde - Getreidekörner - Stroh - Tiermist - Mehl - Blüten - Wasser - Steine - Mehl - Meeressalz - Eier - ein Stück Fleisch - zu Bröseln geriebenes Brot - Milch - Brot - Knoblauch - Zitronen. Auf einem anderen Tisch waren ein Gasherd - Teller - Messer - Gabeln - Öl - bereitgestellt.
Von dem Fleisch wurde eine Scheibe abgeschnitten und in Mehl gewendet, danach wurde das bemehlte Fleischstück in schaumig geschlagenen Eiern, die mit Salz und Milch versetzt waren getunkt, dass um die Mehlschichte an allen äußeren Stellen feuchte Eiertunke bereit war, um bei der nächsten Aktion in einem Bröselhügel eines Tellers rundherum auch noch eine geschlossene Schichte Brösel aufbauen zu können.


Relikte der Aktion in Einsiedeglaesern

fest - flüssig - gasförmig, 1976


Von der Galerie "pari & dispari", Bologna wurde ich im Jahr 1976 zu einer Aufführung "fest - flüssig - gasförmig" und zur Präsentation meiner Fotoarbeiten während der Kunstmesse in Bologna eingeladen.
Zu den Fotoblättern aus dem Zyklus "Weinviertel" baute ich auf Tischen verschiedene Stoffe und Materialien zu einem kompositorischen Gefüge. Die Aufführung sollte neben der Schaustellung der verschiedenen festen, flüssigen und gasförmigen Substanzen, vor allem Gerüche als formalen Sensationsfaktor vorstellen.
Dabei wurde z.B. Knoblauch geröstet, künstliche Waldluft versprüht, Benzin zur Explosion gebracht, Piniennadeln und Blumen verbrannt.
Einige der festen Rückstände aus dieser "Aktion" hatte ich in Einsiedegläsern als Relikte aufbewahrt.


Heinz Cibulka bei der Performance Kompost-Komposition in Bologna, 1977

Kompost-Komposition, Bologna, 1977


1977 war ich vom Museo d'arte moderna, Bologna eingeladen, eine Performance zu realisieren. Ich entwickelte ein Konzept unter dem Titel "Kompost-Komposition" als Aufführung mit einer Handlungspartitur über die Zeit einer dreiviertel Stunde.
Akustisch lief ein Tonband, das eine Tonmontage mit Baby- und Fresslauten unterschiedlich alter Schweine zugrunde hatte. Der Ton war streng und dramatisch treibend montiert, der Handlungsort konzentrisch aufgebaut. Um ein abgerundetes Podium, das in der Mitte noch einen quadratischen Rahmen als Handlungsmittelpunkt hatte, waren Materialien für die Aktion bereitgestellt. Je nach Stofflichkeit, Farbigkeit, und nach jeweiligen formalen Kriterien, die sich im Moment ergaben, wurden diese Materialien lasurartig in dem mittleren Rahmen übereinandergeschichtet.
Der treibende akustische Ton und die langsam entstehende Plastik aus den zusammengetragenen Materialien hatten theatralische Struktur mit bildnerisch skulpturaler Auswirkung.

Ein anderes Mal modifizierte ich den akustischen Teil dieses Aktionskonzeptes bei einem Performance-Festival in Lyon unter dem Titel "motorvocal". Statt des mehrstimmigen Tonbandes als Schallträger setzte ich eine Gruppe unterschiedlich klingender Motorräder als Lautquellen ein. Stärkere und leichtere Krafträder gaben nach einer Partitur und unter der Leitung einer Dirigentin mit ihren Fahrzeugen Töne und Geräusche zur Steigerung meiner Arbeit mit den pflanzlichen und tierischen Stoffen für die Kompost-Skulptur zum besten.


Heinz Cibulka bei der Performance Uebertragung in Stuttgart, 1979

Übertragung, Stuttgart, 1979


In Stuttgart wurde ich 1979 zu einer Schau europäischer Gegenwartskunst eingeladen. Dabei führte ich ein kleines Stück unter dem Titel "Übertragung" auf.
Auf 2 Tischen waren nach einer Partitur Materialien wie Getreidekörner, Erde, Mist, Mehl, Staubfarben, ... aufgelegt. Nach dem Zeitplan einer musikalischen Partitur wurden der Reihe nach diese Materialien von einem Tisch zum anderen übertragen.
Dieser Übersetzungsvorgang bildete den Kern der Idee dieser Performance. Die Musik wurde von 3 Streichinstrumenten vorgetragen, einer Violine, einem Cello und einem Bass. In der Partitur waren quälend langsame Ton-Steigerungen vorgesehen, die eine Dramatisierung der einfachen Handlungen am Tisch zur Aufgabe hatten. In der Zeit exakt einer Minute wurde von einer Tonstufe bis zur nächsten (z.B. von C bis Cis) gesteigert. Die extrem langsamen Ton-Steigerungen mit den drei klassischen Konzertinstrumenten von Note zu Note bildeten eine strenge Zeit-Struktur für den Handlungsablauf.


Die Schweine waehrend der Prozession im Stadtpark

Die Blasmusikkapelle waehrend der Prozession im Stadtpark

Prozession, Stadtpark Wien, 1979
Fotos: Liesl Biber


Im gleichen Jahr 1979 führte ich bei der Grafik-Biennale in Wien im Stadtpark eine großangelegte Aktion durch. Unter dem Titel "Prozession" war eine Begehung des Parkgeländes mit mehreren Stationen und Huldigungsgesängen vorgesehen. Vier Stationen waren mit fix installierten Bildstöcken markiert. Vor der prozessierenden Gruppe zeichnete ein Knabe mit Kalk am Boden eine weiße Linie. Zu den geladenen Gästen des Festzuges war eine Blaskapelle und ein Gesangschor eingesetzt. Ein wesentlicher Teil der Prozession war durch verschiedene Tiere besetzt, die mitgeführt wurden. Pferde, Esel, Ziegen, Schafe, Schweine usw. wanderten alle Wege durch den Park mit den Menschen gemeinsam. Bei einer Station wurden alle Beteiligten verköstigt. Tiere, Künstler und Gäste erhielten Speisen und Getränke.

"Der Park wird durch Begehung künstlerisch eingenommen. Der Weg ist mit weißem Kalk vorgezeichnet. Der Kern der Prozession besteht aus einer Blasmusikkapelle, einer Kuh, einem Schwein, einem Pferd, einem Schaf, einer Ziege, einem Hund und weiteren Haustieren. Von der Mitte weg wird das Gebiet viertelweise umgangen. In jedem Viertel ist ein Bildstock aufgestellt, der mit einer Bildmontage auf ein bestimmtes Thema anspielt.

1. Viertel: Licht, Feuer, Explosion
2. Viertel: Erde, Atmosphäre
3. Viertel: Wasser
4. Viertel: Pflanzen, Tiere Menschen

Vor diesen Bildstöcken trägt ein 12-stimmiger Chor Huldigungen vor, die sich auf die Themen der jeweiligen Bildstöcke beziehen. Während des Umganges und bei den Tischen spielt eine Blasmusikkapelle. Der Ausgangspunkt in der Mitte des Parkes sind Heurigentische und Bänke. Hier werden naturreiner Wein und Wasser ausgeschenkt. Einfache Speisen wie Brot und Speck werden gereicht. Neben den Tischen sind Tränken und Futterstellen für die Tiere. Nach Umgehung jedes Viertels kehrt die Prozession zum Ausgangspunkt, zu den Tischen und zur Futterstelle zurück. Die Tiere werden gelabt und getränkt, die Prozessionsteilnehmer essen und trinken, die Musikkapelle spielt. Auf dem Asphalt wird mit weißem Kalk der Grundriss eines Gartens aufgezeichnet. Um die Wurzelkrone einer Linde ist eine weiße Linie gezogen. Der Chor huldigt der Erscheinung "Lindenbaum" mit einem Gesang. Um eine Brennnesselstaude, um ein Stück Wiese und um ein Stück offenen humosen Erdboden werden jeweils weiße Linien gezogen. Wie der Linde werden der Brennnessel, dem Regenwurm und dem humosen Boden huldigende Gesänge entgegengebracht.
Die Prozession kehrt immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die Tiere werden gelabt, die Teilnehmer der Prozession bewirtet. Die Blaskapelle spielt nach Stärkung durch Essen und Trinken die schönsten Stücke aus ihrem Repertoire. Tiere, ein Blasmusikorchester, Sänger und Prozessionsteilnehmer gehen den selben Weg. Der Weg der Einzelnen wird nach feierlicher Gewöhnung zum Weg der Gruppe. Formale Strahlkraft erlaubt Zuneigung. Sinnliche Verwandtschaft erhöht das Gefühl des Einzelnen für sich selbst. Die feierliche Identifikation mit dem Nächsten lässt das Empfinden für die Gruppe, im weitesten Sinn für Alles anschwellen. Die Gruppe feiert schweIgend ihr Dasein. Jeder Teilhabende formt den Körper der Prozession und die Intensität des sich ergebenden Festes mit."


Beete

Beete

Beete

Beete, Korneuburg, NÖ, 1980


1980 führte ich eine Aktion unter dem Titel "Beete - Fortpflanzung aus Rot, Gelb, Blau und Braun" auf einem freien Feld bei Korneuburg- Bisamberg am nördlichen Rand von Wien durch. Diese Aufführung war im Rahmen des Performance-Festivals in Wien organisiert worden.

Aus der Partitur zur Aktion:
Ein Feld wird von einem Traktor mit einer Fräse in einer vorgegebenen Zone vorbereitet. Felder und Beete werden abgesteckt. Mit farbigen Linien werden begrenzte Flächen auf dem Feld boden gezeichnet, in welchen die in der Partitur festgelegten Aktivitäten realisiert werden können. Im Zentrum der Beeteformation werden 4 Tische aufgestellt, auf welchen Materialien für den künstlerischen Einsatz auf den Feldern vorgesehen sind. Die Tische haben lange Beine, die zugespitzt in den Boden gesteckt werden.

Auf den Tischen:
      Eier, Bohnen, Kukuruz, Getreidekörner
In Einmachgläsern und Flaschen:
      Nüsse, Blüten, Staubfarben, Wasser
Auf Papier:
      Schmalz, Innereien, Fleisch

Nach der Feldvorbereitung werden die Beete markiert
verschiedene Materialien in den Boden eingegraben oder auf den Boden gelegt
die Erde wird mit farbigen Flüssigkeiten und Wasser gegossen
Samen werden in die Erde gelegt und mit Erde zugedeckt
Hühnereier angehäufelt
Innereien werden über ein Beet verteilt
Schmalz zerfließt am Papier in der Sonne
bunte Blüten werden auf die braune Erde gestreut
Tiermist in kleinen Portionen daneben aufgelegt
dazwischen wird Wein aus Doppelliterflaschen und Gläsern getrunken
Wasser und Brot wird Zuschauern und Beteiligten gereicht

Am Abend, nach der Arbeit am Feld waren alle müde
einige waren auch durch den Wein angeheitert oder betrunken
der Abend wurde bei einem nahen Heurigen mit Essen und Trinken beschlossen



"Töten - Fressen - Zeugen - Gebären". Eine Einladung nach Belgrad zu einem Performance-Festival gab mir die Gelegenheit, ein Konzept zum oben genannten Titel zu realisieren. Der Aufführungsraum wurde durch ein 0,8 m breites Molino-Band geteilt. Links an der Wand in der Höhe von 2 m beginnend war der Stoff zum Boden hin gespannt, von dort zur Raummitte zu einem Tisch hin; auf den Tisch hinauf, oben den Tisch deckend, darüber und nach rechts am Boden entlang wieder zur Wand und dort wieder hinauf bis zur Höhe von 2 Metern.
Der Aufbau der Raumgestaltung war ein Teil der Aufführung. Links und rechts an den Wänden waren Pflanzen an das Molino zu Pflanzensträußen gebunden. Auf den Tisch in der Mitte des Raumes wurde ein Stück rohes Rindfleisch gelegt, daneben waren Pflanzensamen aufgehäuft.
Am Boden neben dem Tisch hatte ich Flaschen mit roten, gelben, weißen, schwarzen und blauen Staubfarben aufgestellt. Nägel, ein Hammer und Honig waren auf der anderen Seite des Tisches aufgelegt.
Von dem Rindfleisch schnitt ich ein Stück ab, nahm es in den Mund und kaute es. Ich wollte während der Aktion das rohe Fleisch essen.
Links und rechts an den Wänden bemalte, bestaubte und beschmierte ich die Pflanzen. Ich band ein Stück Fleisch in ein Pflanzenbüschel ein und bearbeitete es zugleich mit dem Tuch, den Pflanzen und den mit Honig aufgeleimten Samenkörnern. Im Konzept war vorgesehen, dass sich die Zuschauer, bzw. Beteiligten während der Aktion mit einer Hand den eigenen Geschlechtsteil halten sollten, während sie mit der anderen Hand, in musikalischer Weise auf ihre Körperöffnungen klopfen sollten.
An die beteiligten Zuschauer wurde rohes Fleisch und Wasser verteilt.


Einer der Marktstaende beim Steirischen Herbst 1984

Marktstände, Graz, 1984


"Marktstände", Steirischer Herbst 1984, Graz. Eine Holzkonstruktion nach einer Analyse vorhandener, funktionierender alter Marktstände sollte Materialien in dichterischer Form präsentieren. Mein thematischer Hintergrund, eine Art Lebenskreislauf war auf 4 solcher Stände abgewickelt.
Die Marktstände - selber Objekte nach formalen Kriterien gebaut - boten zugleich Schauflächen für die kontrapunktisch gesetzten Materialien, die ähnlich wie die Materialbilder, nur offen und auf relativ großen Flächen gezeigt wurden. Sowie bei den Bildgedichten das Werkzeug für künstlerische Aussagen Bilder bzw. Bildinhalte oder eigentlich ausgelöste Assoziationen sind, haben bei diesen ,,Materialdichtungen" die einzelnen Gegenstände, Stoffe bzw. Objekte ähnliche Funktionen. Die Anordnung, bzw. Komposition dieses Materials ist Baustoff für eine künstlerische Absicht. Diese Absicht stützt sich nicht auf logisch funktionierende Leseregeln, sie sucht ihren Sinn in der Deutung des Betrachters.



"Hochgebirgsquartette". Für ein haptisches Zentrum der Ausstellung meiner fotografischen Bildgedichte in Zell am See baute ich aus vier Holzstämmen (je 250 cm lang, insgesamt 5m x 5m) ein Holzkreuz, das waagrecht aufgestellt wurde.
In die Oberseite der Holzstämme sind schalenförmige Höhlungen ausgestemmt. Bei jedem Stamm ergibt das kleine hohle Formen, in welche verschiedene Stoffe (Flüssigkeiten, Steine, Harz...) gelegt oder gegossen sind. Die Materialien beziehen sich auf die alpine biologische und vegetarisch-animalische Gegebenheit der Salzburger Hochalpen.

Steine, Edelsteine, Erde, Wasser
Pflanzensamen, Blüten, Harz, Moos
Rindenstücke
Tiermist, Milch, Topfen, Wolle, Honig,
Tierfutter, Jagdpatronenhülsen

Die Stämme des Holzkreuzes sind in der Mitte zusammengeschraubt und stehen auf Glas- oder Baueisenstäben in der Höhe von 75 cm vom Boden.

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