Heinz Cibulka   fotografische arbeiten / photographic works interdizipinäre arbeiten / interdisciplinary work digitale bildcollagen / digital collages publikationen / publications texte / texts biografie / biography

... texte | texts

|| menu ||

 


Maren Lübbke

Heinz Cibulka – Zwischen Erinnerung und Aneignung

 

in: Heinz Cibulka – Bildgenerationen; 2002

in: mex 01-12; 1999


zur Serie "mex01-12" || >


Mit "mex 01 - 12" legt Heinz Cibulka einen neuen Zyklus an künstlerischen Arbeiten, bestehend aus zwölf Fotomontagen, vor. Allein der Titel deutet an, daß Cibulka hier neuere Bildgenerationsmethoden erprobt hat: Das Ausgangsmaterial - Fotografien, die während eines Aufenthaltes in Mexiko entstanden sind - ist am Computer bearbeitet worden, "mex 01 - 12" könnte den Namen der Datei bezeichnen, unter der Cibulka seine digitalen Fotografien gespeichert hat.
In einem Punkt gleicht diese Arbeit den "Fotoblättern", mit denen Cibulka als Künstler bislang vornehmlich in Erscheinung getreten ist: Jede dieser Montagen setzt sich zusammen aus verschiedenen Informationen, die Aufschluß geben über "elementare Gegebenheiten des Anschauungsortes und seiner Einwohner." Auch hier nimmt Cibulka "optisch registrierbare Erscheinungsformen unseres Lebens wie: Geburt, Tod, religiöse und volkskundliche Phänomene, Essen und Trinken, Sexualität und Geschlechterrollen, Formen des Alltags und der Arbeit, Bilder von Stadt und Land, vegetative und animalische Formen des Umfeldes der Einheimischen ..." (Cibulka) ins Visier der Kamera.
Arbeitete Cibulka jedoch bislang direkt in der Kamera, bearbeitete das mit der Kleinbildkamera aufgenommene und im Großlabor entwickelte Foto also nicht nachträglich, so fordert der Umgang mit dem neuen Medium Computer die Fragmentierung des gesammelten Materials geradezu heraus.
Ein zweiter Aspekt läßt einen Vergleich zu Cibulkas bisheriger künstlerischer Praxis zu. Auch in dieser Arbeit kann der Künstler auf einen groß angelegten Fundus breit gefächerten Materials zurückgreifen, ein Fundus, der unendliche Variationsmöglichkeiten in der bildsprachlichen Kombinatorik erlaubt. Auch hier waltet keine thematische Strenge, die Anordnung des Materials erfolgt eher nach kompositorischen Gesichtspunkten, die Assoziationsfreiräume für den Betrachter eröffnen. Nur: Die Kompositionsprinzipien haben sich verschoben. Die formale Struktur, die Cibulka für seine "Fotoblätter" wählte - die Anordnung von vier gleichformatigen Fotografien nach einem immer gleichen Schema - , hat sich aufgelöst. Das strikte Regelwerk wird abgelöst durch den Einsatz technischer Mittel wie überschneidung, überschichtung, überblendung. Die unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Bildinformationen werden durch die Montage auf einer neuen Ebene zusammengeführt.

"Mex 01 - 12" setzt sich zusammen aus Fotofragmenten, die nicht nur die persönlichen Eindrücke des Reisenden wiedergeben, sondern den Betrachter gleichsam mit den eigenen klischeehaften Vorstellungen und Vorurteilen über die Stadt und das Land konfrontieren. Die Arbeiten sind im Spannungsfeld zwischen "vorgefertigten" Bildern und einer persönlichen Interpretation und Aufladung dieser Bilder angesiedelt. Cibulka verweist so auf bestimmte, immer wieder produzierte und reproduzierte Wahrnehmungsmuster von Wirklichkeit und die damit verbundene - massenmedial vermittelte - Struktur von Begehren und Imagination. Durch die Bearbeitung des Materials am Computer werden Lücken gefüllt, die das ursprüngliche fotografische Abbild - obgleich es Vollständigkeit suggeriert - läßt. Denn durch die Montage wird der "Zwischenraum", der zwischen dem fotografierten Sujet und dem Auge der Kamera liegt und auch als Erfahrungsraum bezeichnet werden kann, betont. In der Rückbesinnung auf das in Mexiko Gesehene und Erfahrene schiebt sich in das Bild eine zweite, dritte, vierte Wahrnehmungsebene, die dem vorgefundenem Einzelbild eine Erweiterung abverlangt. Durch die Montage der verschiedenen Versatzstücke wird versucht, den Raum mit den eigenen Eindrücken und Erfahrungen neu zu besetzen bzw. die verschiedenen Erinnerungsfäden in einer neuen Ordnung des Bildmaterials wieder zusammenzuführen. "Mex 01 - 12" ist damit anzusiedeln zwischen Erinnerungsarbeit und Aneignungsprozeß.


| top |