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Heinz Cibulka

Chinoiserie - Aus dem Reisetagebuch

 
juni 1999

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juli 1999

 

in: Chinoiserie, 2000


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Auch das Frühstück ist meistens hervorragend gut sortiert - hier einige Beispiele zu heutigen Gaumensensationen: das meiste ist hier scharf bis sehr scharf:

Sojasprossen, Sojabohnen, chinesisches Brot getoastet, chinesisches Gulasch, Auberginen, Fisolenartiges, Germknödel, Reissuppe, Hirsesuppe, gekochte Eier, Pfefferoni, weiße Rüben ...

Hotelumzug gleich nach dem Frühstück ins Lilo Yang Peony Hotel, in einer 6 Millionen-Stadt. Von hier werden wir zu einer berühmten Pagode geführt, die wunderschön in der Landschaft steht. Zum Fotografieren markieren die Mönche Kampfposen, die für diese rituellen Sport typisch sein dürften. Ganz junge, glatt rasierte kleine Mönche und etwas ältere, mächtigere und ganz starke durchtrainierte schöne junge Männer zeigen ihre Künste in strengen angelernten Bewegungsabläufen. Alle Darsteller sind in orangenen Kutten mit farbigen Gürteln gekleidet. Die Kämpferkostüme passen sehr gut zur tänzerischen Theatralik der Bewegungskünstler. Paralell zu unseren Aufnahmen dokumentieren wir für die Mönche extra ihre Vorführung. Die Filme überlassen wir den Organisatoren als dankbare und freundschaftliche Geste.

Nach diesem rührenden Treffen in dieser romantischen Landschaft fahren wir zu einer historischen Grabstätte, die mehrere Dynastien von Herrschern und ihre Angehörigen beherbergt.

Hier bricht ein schon länger schwelender Ärger bei mir als Wutanfall aus. Schon mehrmals wurde ich aufmerksam gemacht, daß hier oder da fotografieren verboten sei. Da ich aber hier und da offiziell zum Fotografieren eingeladen bin, kommt mir dieses Verbot unsinnig oder als eine Art Schikane vor. Unser Führer bekommt das zu spüren und will künftig besser vorausschauend wirken. Vielleicht hätte ich schon vorher zeigen sollen, daß mir zu viel Höflichkeit bei der Arbeit hinderlich werden kann.

Zu Mittag gibt es wieder eine tolles Angebot an Speisen, wie bisher, aber jedesmal wieder überraschend gut und raffiniert und von den Grundstoffen her erleben wir immer wieder regional unterschiedliche Variationen einer genial angelegten Küchenphilosophie.

Um 15 Uhr werden wir zum ältesten Tempel Chinas, zum Weißpferdetempel gebracht. Die Tempelanlage steht in schönem Licht. Beschriftete Steinstelen ragen hier wie so oft auf unseren Wegen aus dem Boden in den Himmel hinein. Wir können die Tafeln zwar nicht lesen, aber die Art der Aufstellung und ihre Positionen in den Parks und in dieser Landschaft lassen sie uns ehrfürchtig anschauen. Viele Chinesen besuchen diese heiligen Orte, oft sind die Tempel von budhistischen Mönchen betreut und geführt. Opferstellen und Weihkessel mit Räucherstäben sind fast überall zu riechen und zu sehen. Immer wieder kommen BesucherInnen, verbeugen sich, knien nieder und scheinen zu beten. Räucherstäbchen anzünden und das Berühren bestimmter Gegenstände und Figuren gehört für diese Andächtigen oft auch zum Besuch der Tempel.

Magdalena gelingt es, eine Münze auf der Wasser oberfläche eines berühmten Brunnens schwimmen zu lassen. Das bedeutet für sie Glück, wird uns von unseren Begleitern gesagt.

Um 19 Uhr tauchen wir wieder ins Essglück.

Danach in eine angenehme Zweisamkeit, ohne weitere Verpflichtungen, außer uns gegenüber, in einem Hotelzimmer, das von sich aus schon durch seine Anonymität erotisch auf uns wirkt und sich bereitwillig erobern läßt. Der Reiz der Räume muß nicht lange dauern, bald sind wir wieder weg. Neugierig werden wir ins nächste Appartement schauen und mit dem, was da ist, glücklich sein. Unser Humor und Leichtsinn läßt uns alles reizvoll erscheinen. Vom Hygienepapier an der WC Muschel über die Fliesen des Badezimmers, zu den kleinen Fläschchen vor dem Spiegel zum Frischmachen. Die Stellung der Betten im Raum, die Bilder an der Wand und die vorbereiteten Mappen zum Schreiben, Organisieren, Telefonieren, Kaufen, Fernsehen, sowie der Blick aus dem Fenster - das alles ist jetzt für einige Momente nur für uns da, banal und doch so schön. zur naechsten seite



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